Entscheidende Faktoren auf dem Weg zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen im Zuge der angestrebten Klimaneutralität sind deshalb die Definition und Umsetzung sogenannter ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance). Obwohl den globalen Exportunternehmen die Bedeutung dieser Kriterien und ihre Einhaltung für den Klimawandel bewusst ist, spielen sie aktuell nur eine Nebenrolle in der Geschäftsstrategie. Das ist das Ergebnis der "Allianz Trade Global Survey"[1] des weltweit führenden Kreditversicherers Allianz Trade im Zuge seiner aktuellen Welthandelsstudie.
"ESG-Kriterien sind bei vielen Unternehmen bisher nicht Chefsache. Sie spielen, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle", sagt Ana Boata, Head of Economic Research bei Allianz Trade. "Das liegt unter anderem daran, dass Unternehmen aktuell viele Bälle gleichzeitig in der Luft halten müssen - darunter die hohen Energie- und Transportkosten, Störungen von Lieferketten, höhere Finanzierungskosten und Fachkräftemangel. Das ist nachvollziehbar. Allerdings haben Unternehmen, die jetzt die Weichen für ein nachhaltigeres Handeln stellen, in Zukunft eine sehr gute Ausgangsposition."
Um den grenzüberschreitenden Handel nachhaltiger zu gestalten, haben Exportunternehmen zahlreiche Optionen: Sie können eigene Prozesse anpassen, indem sie beispielsweise umweltfreundlichere Materialien einsetzen oder auf weniger umweltbelastende Verfahren umstellen. Oder sie können Geschäftspartner auswählen, die nachhaltig agieren. Letzteres ist bei den befragten Exporteuren bislang die beliebteste Strategie:
Exportunternehmen bisher weitestgehend unbeeindruckt von CO2-Steuern
"Exportunternehmen verlagern die Einhaltung von ESG-Kriterien lieber auf ihre Lieferanten: Die Hälfte der befragten Unternehmen (Deutschland 47 %) stellt lieber auf nachhaltigere Lieferanten um, als selbst Veränderungen in Richtung nachhaltiger Prozesse oder Produktionen anzustoßen", sagt Milo Bogaerts, CEO von Allianz Trade in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Nur gut ein Drittel (36 %) der Exportunternehmen in den drei größten EU-Volkswirtschaften Deutschland (39 %), Frankreich (32 %) und Italien (35 %) mussten ihre Preise erhöhen, um die Kohlenstoffsteuern auszugleichen. Dies zeigt auch, dass die Kohlenstoffpreise noch zu niedrig sind, um einen Wandel in den Unternehmen auszulösen oder die Verkaufspreise in die Höhe zu treiben."
Die Unternehmen zeigen sich aktuell (noch) relativ unbeeindruckt von den CO2-Steuern und insgesamt beurteilen nur wenige Nachhaltigkeit als großes Risiko für ihre Geschäftstätigkeit. Diese Situation macht Unternehmen weniger effektiv in ihrem Bestreben, die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren.
Nur 18 % der deutschen Exporteure rechnet generell damit, dass ESG-Kriterien ihr Geschäft 2022 stärker beeinflussen als bisher, rund die Hälfte (48 %) erwartet gleichbleibende Auswirkungen und ein Viertel (25 %) sieht die Herausforderung sogar als geringer an als noch 2021.
ESG-Aspekte spielen bei Auswahl von neuen Exportmärkten maximal eine Nebenrolle
Darüber hinaus zeigt die Allianz Trade Welthandelsstudie, dass ESG die globalen Handelsströme bis heute nicht verändert: Die meisten Befragten (74 %) berücksichtigen bei der Auswahl ihrer Exportmärkte keine ESG-Aspekte. Nur 34 % der Unternehmen in China, dem weltweit größten Exporteur, geben an, dass ESG-Grundsätze sie bei der Wahl ihrer Exportmärkte beeinflusst haben. In Deutschland waren es mit 33 % auch nur ein Drittel der Exportunternehmen.
"Dies zeigt, dass ESG und insbesondere das Thema Nachhaltigkeit noch einen langen Weg vor sich haben, bevor sie in der Strategie, dem Handeln und in den Prozessen von Exportunternehmen fest verankert sind", sagt Bogaerts. "Es ist aber auch eine Chance, die Unternehmen jetzt nutzen können, um sich durch frühzeitige Investitionen in die eigene Nachhaltigkeit entscheidende Wettbewerbsvorteile zu sichern - und den Welthandel auf dem Weg in Richtung Klimaneutralität zu unterstützen."
Allianz Trade hat für die "Allianz Trade Global Survey" in zwei Umfragewellen zwischen Ende Januar und Ende März 2022 insgesamt 2.500 Unternehmen in den USA, China, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien zu ihren Exporterwartungen und Top-Risiken befragt. Die erste Umfragewelle fand vor der russischen Invasion in die Ukraine statt, die zweite nach der Invasion.