Inhaltsverzeichnis:
- Steam und Roblox als Schauplätze für rechtsextreme Inhalte
- Radikalisierung durch Gewöhnung und fehlende Kontrolle
- Eigene Spiele mit rechter Ideologie
- Historische Kontinuitäten und neue Strategien
- Plattformen zeigen kaum Reaktion
- Überblick: Rechtsextreme Aktivitäten im Gaming
Steam und Roblox als Schauplätze für rechtsextreme Inhalte
Auf der Plattform Steam können Nutzer mithilfe von Mods in Strategie-Spielen mit der Waffen-SS gegen die Alliierten kämpfen. Diese Inhalte verherrlichen nationalsozialistische Ideologie und finden besonders unter Nutzern Anklang, die extrem rechte Narrative unterstützen. Obwohl diese Spielmodifikationen offiziell nicht erlaubt sind, gelingt es vielen, sie über Zusatzprogramme zu integrieren.
Auch auf der Plattform Roblox, auf der Nutzer eigene Spiele gestalten können, tauchte zeitweise ein Spiel auf, das das Attentat von Halle nachstellte. Das Spiel wurde inzwischen gelöscht, doch der Vorfall zeigt, wie leicht rechtsextreme Szenarien Zugang zu jungen Spielern finden.
Diese drastischen Beispiele sind zwar selten, aber symptomatisch für eine kleine, gut vernetzte Szene. Laut Medienwissenschaftlern nutzen Rechtsextreme gezielt Gaming-Umfelder, um ideologische Inhalte zu verbreiten und neue Anhänger zu gewinnen.
Radikalisierung durch Gewöhnung und fehlende Kontrolle
Matthias Heider warnt vor einem Prozess der schleichenden Radikalisierung. Spieler würden rassistische oder sexistische Inhalte so oft sehen, dass sie zur Normalität würden. Diese Gewöhnung wirke unterschwellig und wirke besonders stark auf Jugendliche, die sich in Voice-Chats und Community-Plattformen bewegen.
Plattformen wie Discord und Twitch sind besonders betroffen. Dort kommt es laut Heider täglich zu rassistischen Beschimpfungen, queerfeindlicher Hetze und gezielten Angriffen auf Streamer. Besonders betroffen seien Streamerinnen und nicht-weiße Nutzer, die Ziel sogenannter „Hass-Angriffe“ werden. Diese „Hate Raids“ sind koordinierte Aktionen, bei denen gezielt Hassnachrichten verbreitet werden.
Heider betont, dass es sich nicht nur um Einzelfälle handelt, sondern um systematische Versuche, Einfluss zu nehmen. Organisierter Rechtsextremismus nutze bewusst Gaming als strategischen Raum.
Eigene Spiele mit rechter Ideologie
Rechtsextreme Gruppierungen entwickeln auch eigene Computerspiele. Ein Beispiel ist ein Jump-’n’-Run-Spiel aus dem Jahr 2023, das von Gruppen mit Nähe zur sogenannten Identitären Bewegung stammt. In dem Spiel wird das Heimatland gegen vermeintliche Feinde verteidigt.
Der ehemalige Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird darin als „Impfanbeterin“ dargestellt – ein Monster mit Spritzen. Das Spiel enthält zahlreiche antisemitische, homofeindliche und rassistische Anspielungen. Dennoch bleibt der Erfolg solcher Titel aus. Laut Heider werden diese Spiele von sehr wenigen Personen gespielt – ihre Hauptfunktion sei die Verbreitung ideologischer Botschaften.
Auch die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative, versuchte, sich über das Thema Gaming an junge Wähler zu wenden. In einem Wahlwerbespot zur Landtagswahl 2019 wurde ein Gamer gezeigt, der sich über angebliche Zensur in Online-Spielen beschwert. Das Thema Gaming wurde hier instrumentalisiert, um gegen gesellschaftlichen Wandel zu agitieren.
Historische Kontinuitäten und neue Strategien
Rechtsextreme Inhalte in Videospielen sind kein neues Phänomen. Schon in den 1980er- und 1990er-Jahren gab es Spiele mit extremen Inhalten, etwa solche, in denen Spieler Konzentrationslager verwalten oder indigene Frauen vergewaltigen sollten. Diese Titel waren nie kommerziell erfolgreich, konnten jedoch mangels Regulierung produziert und verbreitet werden.
Heute stehen Spieleentwickler stärker in der Kritik, was Repräsentation betrifft. Spieler fordern zunehmend, dass Diversität in Bezug auf Geschlecht, Religion oder Herkunft in Spielen sichtbar wird. Doch genau hier setzen rechte Akteure an. Sie versuchen, diese gesellschaftlichen Debatten zu untergraben.
Influencer wie Fabian Siegismund berichten, dass es in Multiplayer-Spielen häufig zu offenem Hass kommt, wenn Nutzer sich zu LGBTQ-Themen oder Bewegungen wie Black Lives Matter bekennen. Gegner reagieren sofort mit Abwertung oder Angriffen. In solchen Situationen wird deutlich, wie umkämpft digitale Räume sind.
Plattformen zeigen kaum Reaktion
Die Verantwortung der Plattformen bleibt laut Experten weitgehend ungenutzt. Besonders US-amerikanische Unternehmen, die viele der großen Gaming-Dienste betreiben, seien laut Heider wenig an Inhalten interessiert. Moderation, Faktenprüfung und Inhaltsmanagement würden zunehmend aufgegeben.
Mick Prinz von der Amadeu Antonio Stiftung fordert die Community auf, Hass und Hetze nicht zu ignorieren. Spieler sollten rassistische und diskriminierende Inhalte melden und nicht zur Normalisierung beitragen. Der Experte mahnt, dass dieselben sozialen Dynamiken wie im realen Leben auch im digitalen Raum wirken.
Heider bestätigt das: Jugendliche treffen auf Rechtsextreme nicht nur in Spielen wie „Counter-Strike“, sondern auch im Sportverein oder in der Feuerwehr. Die Radikalisierung geschehe über soziale Kontakte – nicht nur über Inhalte.
Überblick: Rechtsextreme Aktivitäten im Gaming
- Steam
- Verherrlichung der Waffen-SS durch Mods
- Zugang zu nationalsozialistischen Symbolen über Zusatzprogramme
- Roblox
- Spiel mit nachgestelltem Anschlag in Halle
- Eigene Spielentwicklung durch Nutzer
- Discord und Twitch
- Tägliche rassistische und queerfeindliche Beleidigungen
- Organisation sogenannter „Hate Raids“
- Eigene Spiele rechtsextremer Gruppen
- Darstellung von Politikern als Monster
- Antisemitische und homofeindliche Inhalte
- Instrumentalisierung politischer Debatten
- Wahlwerbung mit Gaming-Themen
- Abwertung von Diversität in Spielen
Die Verbreitung rechtsextremer Inhalte im Gaming ist kein Randphänomen. Sie findet auf vielen Ebenen statt – von Mods über eigene Spiele bis zu Plattformen wie Discord. Wissenschaftler und Stiftungen fordern entschlosseneres Vorgehen. Ohne stärkere Kontrolle und klare Regeln bleiben Spielewelten anfällig für extremistische Einflüsse.
Quelle: Tagesschau, www.patizonet.com/de/